Rede zum Haushalt 2023

Haushaltsrede 21.12.2022

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Seithel,

Sehr geehrte Gemeinderätinnen und Gemeinderäte,

Sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der Stadtverwaltung,

Sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger,

zu Beginn des letzten Jahres blickten wir mehr und mehr dem Ende der Corona Krise entgegen. Immer mehr Menschen waren geimpft und wir waren frohen Mutes, dass mit Ende des Winters wir bald wieder zu einem normalen Leben zurückfinden könnten.

Leider wurde unsere Hoffnung darauf schon bald von einem größenwahnsinnigen Despoten zerstört, der die längst totgeglaubte Möglichkeit eines menschenverachtenden Krieges mitten in Europa wieder Realität werden ließ.

Wie schon zu Beginn der Corona Krise ging eine riesige Welle der Solidarität durch unser Land und unsere Stadt. Innerhalb von Tagen starteten Initiativen, um Spenden für die Ukraine zu sammeln und sie direkt dorthin zu transportierten, wo sie benötigt wurden.

Nun wird nach über 300 Kriegstagen auch weiterhin unsere Freiheit und Frieden in der Ukraine von mutigen Menschen verteidigt. Und ein Ende ist leider immer noch nicht abzusehen.

Inzwischen sind die Konsequenzen des Krieges in Rauenberg auf unterschiedliche Weisen angekommen. Am deutlichsten sehen wir die immensen Preissprüngen in der Energieversorgung verbunden mit unklaren weiteren Entwicklungen. Unternehmen, von der großen Schwerindustrie bis zum kleinen Bäcker, sehen sich in ihrer betrieblichen und damit auch mit vielen privaten Existenzen bedroht. Viele Menschen wissen nicht mehr, wie sie die Energiekosten bezahlen sollen.

Deutschland wurde zwei Jahrzehnte lang von seinen europäischen und NATO-Partnern gewarnt, dass eine zu große Abhängigkeit von Russland eine große Gefahr sei und wir uns erpressbar machen würden. Leider wurden diese Warnungen ignoriert, Projekte wie North Stream II weiter vorangetrieben und die heimische Solar- und Windkraftproduktion nahezu zerstört. Allein im Bereich der Solarenergie wurden 100.000[1] Jobs seit 2010 vernichtet. Der Windkraftindustrie wurde durch „Reformen“ ab 2016 der Wind aus den Segeln genommen und knapp 30.000 Jobs vernichtet.


„Russland hat Energie immer als politisches Werkzeug zur Einflussnahme und als Druckmittel genutzt. Daher sind wir durchaus überrascht, dass es in Deutschland noch so viel Unterstützung gibt. Denn für uns ist klar, dass mehr Energieabhängigkeit von Russland mehr politische Abhängigkeit bedeutet.“

– Litauens Präsidentin Dalia Grybauskaite zum Bau von Nord Stream II, 25.01.2019

Beides Sektoren in Zukunftstechnologien, die uns heute deutlich weniger abhängig von Energieträgern aus undemokratischen Staaten gemacht und der Rüstungsindustrie in Russland den Geldhahn abgedreht hätte. Es könnte kaum eine bessere Definition von „zerstörerischer Wirtschaftspolitik“ geben.

Die Konsequenzen tragen wir heute alle mit den explodierenden Energiekosten im privaten, gewerblichen und hier im kommunalen Bereich.

Es ist nun die Aufgabe unserer Generation weitere Fehler, deren Konsequenzen wir heute schon überdeutlich abschätzen können, zu verhindern und entsprechend Maßnahmen zu ergreifen. Spätestens seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts[2] zum Klimaschutzgesetz von 2019 können wir die Last des Klimaschutzes nicht einfach auf nachfolgende Generationen abschieben oder die Leugnung der menschengemachten Klimakatastrophe weiter akzeptieren. Unsere Generation muss jetzt und nachhaltig handeln.


„Die Schonung künftiger Freiheit verlangt auch, den Übergang zu Klimaneutralität rechtzeitig einzuleiten.“

– Bundesverfassungsgericht, Klimaschutzurteil vom 24. März 2021

Es ist daher ein gutes Zeichen, dass Energiekonzepte für die städtischen Gebäude erstellt wurden, die Sporthallen energetisch saniert und PV-Anlagen auf den Dächern möglichst vieler städtischer Gebäude installiert werden. Es ist ein gutes Zeichen, dass die Installation von Balkonkraftwerken auf Antrag der SPD finanziell unterstützt wird. Und wir freuen uns sehr, dass dieses Jahr unser Antrag zur Erstellung eines „Aktionsplan Mobilität, Klima- und Lärmschutz“ vom Gemeinderat fraktionsübergreifend Unterstützung fand. Dies sind alles Schritte in die richtige Richtung.

Jedoch geht die Verantwortung unserer Generation noch weiter. Wir tragen auch Verantwortung, dass wir nachfolgenden Generationen unter anderem eine intakte Umwelt, bezahlbaren Wohnraum und einen stabilen Haushalt hinterlassen. Kurz: Wir sollten es mit den Möglichkeiten, die wir noch haben, nicht vergeigen.

Womöglich werden wir aber das Kunststück schaffen, nichts bis wenig davon zu erreichen.

Das Neubaugebiet Sandäcker hat schon gezeigt, dass man nicht verantwortungsvoll mit Fläche umgehen kann und ebenso wenig Interesse an der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum hat. Als Konsequenz sind hier 200.000€ für den Erwerb für Ökopunkte als Ausgleich fällig und unbezahlbare Grundstückspreise.

Nun sollen weitere 36.000qm für neue Wohngebiete auch noch ohne Umweltprüfung und ohne die Erarbeitung einer Eingriffs-Ausgleichs-Konzeption erschlossen werden. Teilweise liegen die Gebiete sogar direkt angrenzend zu Schutzgebieten. Kostenpunkt für die Bauleitplanungen: 70.500€. Wir dürfen gespannt sein, ob hier wenigstens bezahlbarer Wohnraum entstehen soll. Die ersten Konzepte der Bebauungspläne lassen das nicht erwarten.

Verantwortungsvoller Umgang mit unserer Umwelt und bezahlbarer Wohnraum scheinen somit im Jahr 2023 weiterhin schwierig zu bleiben. Hier lassen wir Potentiale im Gestaltungsspielraum des Gemeinderats liegen. Viele andere Lösungswege wären jedoch problemlos möglich, wie es ein Bebauungsplanentwurf privater Investoren in Rotenberg bereits angedeutet hat.

Und dabei wollen wir das U-Boot „Hohenstein-Schanzenäcker“ nicht vergessen – rund 150.000qm – das im Moment noch recht geräuschlos vor sich hindümpelt aber mit „30.000€ Rechtsberatung“ am Horizont schon sichtbar wird. Wir dürfen gespannt sein, ob hier ein Mehrwert für die Gemeinde entstehen wird.

Gewerbegebiet Hohenstein-Schanzenäcker: Chance oder Belastung für Rauenberg?

Die Finanzen hingegen sind geprägt von massiven Investitionen in Pflichtaufgaben. Neubau des Kiga Mittendrin (2,8Mio €), Sanierung KiGa Regenbogen (2023: 200t€, Mittelfristig ~1,9Mio€), Neubau KiGa Malschenberg (2023: 300t€, mittelfristig ~4Mio€) für eine weiterhin gesicherte Kinderbetreuung im Vorschulbereich. Es ist gut zu wissen, dass der Gemeinderat nahezu geschlossen auch in der Zukunft die Kinderbetreuung mit vielen verschiedenen Betreuungskonzepten sichern und ausbauen will. 

Dazu kommen die energetischen Sanierungen der Mannaberg- und Brunnenberghalle für 250t€ & 150t€ allein im Jahr 2022, in den weiteren Jahren jedoch in Summe 2,8Mio€. Durch die neue Bundesregierung gibt es hier massive Förderungen von mindestens 50%. Dies ist eine einmalige Gelegenheit, die die Stadtverwaltung durch sehr gute Vorarbeiten versucht zu ergreifen und stellte sehr zügig die entsprechenden Anträge. Das Regierungspräsidium attestierte Rauenberg zudem bereits eine Finanzschwäche, die sogar eine Förderung von 75% ermöglichen könnte.

Dazu kommen Sanierungen der Schönbornstraße (2022: 560t€, Gesamt 1,5Mio€) und der Apolloniastraße (950t€, Gesamt 1,9Mio€) in Malschenberg, die beide an zentralen Stellen im Zuge der Sanierung für eine Erhöhung der Lebensqualität beitragen können. Für die Apolloniastraße und -platz gibt es ein sehr gutes Konzept und wir freuen uns auf dessen Umsetzung.

An der brandschutztechnischen Sanierung der Mannabergschule geht ebenfalls kein Weg vorbei und muss dringend im kommenden Jahr angegangen werden.

Ansicht der Mannabergschule
Mannabergschule Rauenberg: Viele Sanierungsmaßnahmen stehen an

An diesen Themen gibt es also wenig zu sparen – außer sie nicht zu tun. Dies würde aber massive Verluste an Kinderbetreuungsplätzen und verpasste einmalige Chancen für mitfinanzierte Sanierungen bedeuten.

Besorgniserregend ist aus unserer Sicht im Haushalt vor allem der negative Ergebnishaushalt von über einer dreiviertel Million Euro und das trotz erwartet höherer Erträge von einer Million Euro und das trotz eines deutlich besseren Ergebnisses im Jahr 2022. Hier wiederholen wir unsere Kritik der letzten Jahre, dass die Haushaltsberatungen unbedingt in einer anderen Form stattfinden müssen. Wir müssen im Gemeinderat zielgerichteter auf einen ausgeglichenen Haushalt hinarbeiten und Maßnahmen priorisieren, vor allem im Hinblick auf die aktuellen Investitionen und die vielen weiteren Maßnahmen in den kommenden fünf Jahren. Diese werden uns im Ergebnishaushalt als Abschreibungen und Kreditzinsen in den darauffolgenden Jahrzehnten schwer zu schaffen machen und den Handlungsspielraum stark einschränken. Auch hier hinterlassen wir ein schweres Erbe.

Nach diesem wieder sehr intensiven Jahr danken wir dem Gemeinderat für die sachliche – manchmal kontroverse – aber konstruktive Zusammenarbeit.

Wir danken Herrn Bürgermeister Seithel und der gesamten Stadtverwaltung für die sehr gute Zusammenarbeit und das überaus hohe Engagement, zuerst während der Corona bedingten Herausforderungen und nun durch den Krieg in der Ukraine. Die Stadtverwaltung hat außerdem mit Ihren Vorschlägen und realistischeren Planungen der Umsetzungsmaßnahmen erheblichen Anteil an der verbesserten Situation in dieser Haushaltssatzung gegenüber dem Haushaltsentwurf.

Manuel Steidel, 21.12.2022

Für die Fraktion DIE GRÜNEN.


[1] https://www.erneuerbare-energien.de/EE/Redaktion/DE/Downloads/zeitreihe-der-beschaeftigungszahlen-seit-2000.pdf;jsessionid=86AFD4ACEF9A40BCE26CA044E4426C07?__blob=publicationFile&v=4

[2] https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2021/bvg21-031.html

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