Rede der GRÜNEN Fraktion zu Sandäcker, 16.03.22

Falls Ihr nicht zur Gemeinderatssitzung am 16.03.22 kommen konntet oder Ihr Euch über die Position der GRÜNEN Fraktion zum Neubaugebiet Sandäcker informieren möchtet, haben wir hier die Rede des Fraktionssprechers Manuel Steidel für Euch zum nachlesen und mit Quellennachweisen aufbereitet:

Wir diskutieren heute die neueste Änderung des Bebauungsplanentwurfes für ein Gebiet, das schon sehr lange Zeit im Flächennutzungsplan zur Erschließung anstand. Dass das Gebiet irgendwann mal zur Erschließung ansteht und dass wir bezahlbaren Wohnraum in Rauenberg dringend benötigen, steht außer Frage.

Wir kritisieren hier daher auch nicht, dass dieses Gebiet nun erschlossen wird.

Es fällt aber schwer zu glauben, dass wir bei den vielen Bebauungsplanvorschlägen nur diese lockere Bebauung und diesen erheblichen Flächenverbrauch erreichen können, wenn wir im Weierhäusl und in der Weinstraße lebende Gegenbeispiele in direkter Nachbarschaft sehen.

Beschlossener Bebauungsplanentwurf vom 16.03.2022

Wir sind überzeugt, dass die gleiche Anzahl Wohneinheiten auf einer viel geringeren Fläche möglich wären.

Außerdem wäre es doch gerade in einem Gebiet, das verkehrlich schwer zu erschließen ist, angebracht gewesen, ein Wohnen mit reduziertem PKW Verkehr zu ermöglichen. Mit einem Quartiersparkplatz mit zentralen Ladestationen, Lademanagement und PV Anlage als Überdachung, Paketstation, Carsharing und einem ÖPNV Anschluss, zu dem wir heute vielleicht noch etwas hören werden.

Stattdessen sehen wir hier an die 30 Parkplätze im öffentlichen Raum, die zudem noch den Verkehr innerhalb des Wohngebiets befördern werden.

Wir sehen immernoch Parkplätze entlang der Zeppelin-Menges Straße, die durch die Dooring Zone potentiell lebensgefährlich für den Radverkehr sind. Wenn man schon dort Parkplätze errichtet, hätte man, wie zuvor mehrfach von uns vorgeschlagen, diese schräg anordnen können ( ADFC Berlin: Dooring Zone Unfälle verhindern ). Das sage ich aus eigener Erfahrung, weil ich selber schon zwei, dreimal in so einer Tür fast hängen geblieben bin.

Dazu wissen wir immer noch nicht, wie die Kreuzung Zeppelin-Menges Straße / Bahnhofstraße sicher für den Radverkehr gestaltet werden soll, gerade weil die Bahnhofsstraße Teil des gut genutzten Kreisradweges ist.

97% der Menschen in Baden-Württemberg wünschen sich eine Verkehrspolitik, die dafür sorgt, dass sich Schulkinder auch ohne ihre Eltern frei bewegen können ( kea-bw: Grundlagendokument Fussverkehr S22). Wird das hier passieren? In einem Wohngebiet ohne ÖPNV Konzept? Mit 30 öffentlichen Parkplätzen mitten im Wohngebiet? Ohne Gehwege? Ohne bauliche Maßnahmen für eine Verkehrsberuhigung? Wie zuvor von den anderen Fraktionen vorgeschlagen wurde, dass die Straßen gepflastert werden sollen, wird aber nicht zu einer Verkehrsberuhigung führen, wie wir in der Praxis im Ortsbild schon jetzt überall sehen.

kea-bw: Grundlagendokument Fussverkehr S22

Städtebau, der sich am Fußverkehr orientiert und möglichst dichte Bebauung erzielt, ist auch am kostengünstigsten für die Gemeinde.

Laut der KEA-BW betragen im Schnitt die Erschließungskosten für ein Wohngebiet mit freistehenden Einfamilienhäusern beziehungsweise Doppelhäusern ca 18.000€ bis 24.000€. Bei Einfamilienreihenhäusern wären es nur noch 12.000€, beim mehrgeschossigem Wohnbau sogar nur noch 2.500€. Und wir schaffen hier ein Wohngebiet sogar ohne ein einziges Mehrfamilienhaus. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Wir planen hier also nicht ein einziges Gebäude mit bezahlbaren Wohnraum! Nur theoretisch gibt der B-Plan die Möglichkeit, mehrere Wohneinheiten in einem Gebäude einzurichten. Ob das passieren wird? Wir wissen es nicht. Wie zuvor von den Fachleuten auch ausgeführt wurde, kann man nur einen Mittelwert hoffen.

kea-bw: Grundlagendokument Fussverkehr S25

Aber kompakte Wohnformen sind nicht nur die soziale Frage des bezahlbaren Wohnraums sondern auch des Klimaschutzes: Zum einen weil weniger Energie zur Herstellung von entsprechend weniger Baumitteln benötigt wird. Denn 80% der Emissionen eines Gebäudes in seinem kompletten Lebenszyklus entstehen bei der Herstellung der Baumaterialien ( Quelle: bauwende.de ). Da ist bis dahin noch keine einzige Lampe eingeschaltet worden! Das ist die sogenannte Graue Energie im Gebäudesektor.

Zum anderen ist eine kompakte Bauform aber auch gefragt, weil weniger Energie zum Versorgen des geringeren Wohnvolumens benötigt wird.

Außerdem hätte man durch einen geringeren Flächenverbrauch vielleicht auch die Biotope und die ökologisch wertvollen Altbaumbestände schützen können. Ein konkretes Beispiel: In der Frischluftschneise befinden sich jetzt nur noch 3 Einzelhäuser, wofür alter Baumbestand gefällt wird. Es müsste doch problemlos möglich sein, diese Wohneinheiten auch weiter südlich mit Doppelhäuser zu ersetzen und diesen Baumbestand zu schützen – ohne Wohneinheiten zu verlieren.

Wo wir gerade beim Thema sind: Warum fehlen in den Ratsunterlagen der Grünordnungsplan und die durchzuführenden CEF-Maßnahmen? Wir hätten uns hier zumindest schonmal eine vorgestellte grobe Planung gewünscht.

Nur zur Erinnerung:

Wir haben in den vergangenen Sitzungen immer gesagt, wir brauchen eine dichtere Wohnbebauung, um den Flächenverbrauch zu reduzieren und um die Biotope zu schützen. Es wurde nie gesagt, warum das nicht möglich sein soll.

Wir haben gesagt, wir brauchen ein autoreduziertes Wohngebiet, um unter anderem die bereits schwere Verkehrsbelastung im Ort nicht weiter erheblich zu erhöhen. Wir wissen bis heute nicht, warum das nicht möglich sein soll.

Wir haben gesagt, wir brauchen einen ÖPNV Anschluss. Wir werden vielleicht gleich etwas von den Fachleuten dazu hören.

Wir haben gesagt, wir brauchen bezahlbaren Wohnraum. Wir wissen bis heute nicht, warum das nicht ernsthaft angegangen wird.

Wir schleppen seit Jahren ein Budget für ein Energiekonzept für Sandäcker durch den Haushalt. Wo ist dieses Konzept? Was soll damit erreicht werden? Wir wissen es nicht.

Wir haben gesagt, wir müssen die Frischluftschneise schützen. Es wurde gesagt, die sei nicht so wichtig. Dann kam der Denkmalschutz und plötzlich konnte man die Fläche – zumindest zum Teil – schützen. Es geht schon, wenn man will.


Wir kritisieren das alles schon seit dem ersten Entwurf. Keiner unserer Kritikpunkte wurde in irgendeiner Weise befriedigend berücksichtigt.

Der Gemeinderat hat in seiner Sitzung am 21.07.2021 mit 5 Zustimmungen und 7 Enthaltungen für die Planvariante 4a gestimmt. Potentiell hätten also 7 Stimmen für eine andere Variante stimmen können, aber diese Abfrage ist nie erfolgt! Wir wissen gar nicht, was diese 7 Enthaltungen gerne gehabt hätten. Wir wissen gar nicht, ob der Gemeinderat sich vielleicht noch für eine andere Variante ausgesprochen hätte.

Und Heute entscheiden wir zudem, über eine nochmal geänderte Variante, die lustigerweise ein Mix aus den beiden vorgeschlagenen Varianten vom 21.07 ist. Der Entscheidungsprozess vom 21.07.2021 bis heute war völlig intransparent für die Öffentlichkeit!

Wir bitten daher, dass der Gemeinderat den Vorschlag der Stadtverwaltung ablehnt und ein gänzlich neuer Bebauungsplan aufgesetzt wird, der sparsam mit Fläche umgeht, das Klima schützt, bezahlbaren Wohnraum schafft und ein sinnvolles Verkehrskonzept beinhaltet.

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